«Heute schaffen wir die Grundlagen für eine vertrauenswürdige digitale Verwaltung»

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«Heute schaffen wir die Grundlagen für eine vertrauenswürdige digitale Verwaltung»

Foto — Tom Huber
Text — Anna Faoro

Der Kanton St. Gallen schneidet in Untersuchungen zum Thema E-Government regelmässig gut ab. Der Staatssekretär von St. Gallen, Benedikt van Spyk, nennt die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung, beschreibt Meilensteine und erklärt, warum noch viel zu tun bleibt, bis die bürgerzentrierte digitale Verwaltung Realität ist.

Digitale Services und Technologien prägen heute unseren Alltag. Wie wichtig ist Digitalisierung für den Kanton St. Gallen?

Digitale Leistungen sind ein Bedürfnis der Bevölkerung. Mit der Digitalisierung verbessern wir die Qualität und Verfügbarkeit der Dienstleistungen für die Bevölkerung und Unternehmen, aber auch für die Verwaltungsmitarbeitenden. Wenn wir digitalisieren, dann analysieren, verbessern und vereinfachen wir Prozesse. Wir legen Zuständigkeiten klar fest und setzen uns damit auseinander, wie und ob Daten erhoben und wo sie zentral geführt werden müssen. Digitalisierung ist daher für mich ein Treiber und Hebel für die Weiterentwicklung der Verwaltung insgesamt.

Stichwort Nutzerfreundlichkeit und Kundenzentrierung: Welche Rolle spielen die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden?

Das Bedürfnis der Menschen, Alltägliches digital zu erledigen, ist zentral für die Digitalisierung im Kanton St. Gallen. Dennoch sind wir bei der Kundenzentrierung noch nicht da, wo wir sein sollten. Zu viele Prozesse sind aus der Perspektive der Organisation statt jener der Nutzenden gedacht. Diese müssen wir daher bei allen Projekten stärker in den Fokus rücken. Zudem müssen wir eine Rechtsgrundlage für ein vollelektronisches Verwaltungsverfahren schaffen. Nur so können wir Medienbrüche verhindern, die beispielsweise entstehen, weil rechtlich eine handschriftliche Unterschrift erforderlich ist.

St. Gallen ist ein E-Voting-Pionier. Welche Bedeutung hat das elektronische Wählen und Abstimmen?

Aus meiner Sicht ist E-Voting ein strategisches und langfristiges Projekt. Zurzeit ist E-Voting eine attraktive Ergänzung, später kann es zu einer verlässlichen Alternative zur brieflichen Stimmabgabe werden. Denn wir wissen nicht, wie die Briefpost in 15 oder 20 Jahren funktionieren wird.

Das war ein Blick in die Zukunft. Was sind denn heute Vorteile von E-Voting?

Elektronisches Wählen und Abstimmen hat viele Vorteile: Ungültige und zu spät eingetroffene Stimmabgaben fallen weg. Die Stimmberechtigten erhalten eine Bestätigung, dass ihre Stimme in der elektronischen Urne angekommen ist. Der E-Voting-Versuchsbetrieb in St. Gallen ist gut gestartet, die Beteiligung über den elektronischen Kanal wächst kontinuierlich. Die Beteiligung über den elektronischen Kanal liegt in den Pilotgemeinden hinter den brieflichen Stimmen, aber bereits deutlich vor der Stimmabgabe an der Urne.

Der Bundesrat hat angekündigt, dass der digitale Brief Teil der postalischen Grundversorgung werden soll. Verschickt der Kanton St. Gallen Korrespondenz digital?

Es gibt punktuell Korrespondenz, die Bürgerinnen und Bürger vom Kanton elektronisch über ein Portal (z. B. Onlineschalter Migrationsamt) erhalten. Wir haben aber noch kein allgemeines elektronisches Postfach. Zukünftig möchten wir unserer Bevölkerung einen sicheren elektronischen Korrespondenzkanal anbieten. Daher verfolgen wir mit Interesse, wie der neue postalische Grundversorgungsauftrag aussehen wird.

Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel in der Digital-Strategie des Kantons St. Gallen?

Der Kanton hat eine zukunftsweisende Bildungsoffensive für den IT-Bereich lanciert, die auch den Fachkräftemangel entschärfen soll: Der Kanton investiert 75 Millionen Franken, damit Schülerinnen und Schüler auf allen Stufen die relevanten Schlüsselkompetenzen erwerben, um kreativ und innovativ die Gesellschaft und Wirtschaft im digitalen Zeitalter mitzugestalten.

Meine Ambition ist es, dass wir bis 2030 die wichtigsten Behördendienste digital anbieten.

Benedikt van Spyk, Staatssekretär des Kantons St. Gallen

Die Cyberkriminalität nimmt zu. In Bezug auf E-Government haben bis zu 30 Prozent der Bevölkerung Bedenken, wenn es um Cybersecurity und Datenschutz geht. Wie gehen Sie mit dieser Skepsis um?

Ich kann diese Bedenken sehr gut nachvollziehen und nehme diese ernst. Der Kanton St. Gallen unternimmt verschiedene Massnahmen, um seine Systeme und die Daten der Bevölkerung zu schützen. Dazu gehört, dass wir vermehrt IT-Systeme öffentlich im Rahmen eines Bug-Bounty-Programms prüfen lassen. Finden Fachleute eine Sicherheitslücke, erhalten sie von uns eine finanzielle Belohnung. Gerne möchte ich eine grundsätzliche Überlegung ergänzen.

Bitte.

Die Schweizerinnen und Schweizer schenken der Politik und der Verwaltung sehr grosses Vertrauen. Dieses gründet auf der verlässlichen Dienstleistung, die die Bevölkerung seit vielen Jahrzehnten erhält. Bisher waren dies analoge Dienstleistungen, heute und in Zukunft werden es immer mehr digitale Services sein. Durch möglichst grosse Transparenz und qualitativ hochstehende Services möchten wir heute die Grundlagen schaffen, damit die Bevölkerung Vertrauen in die digitalen Services aufbauen kann.

Zum Abschluss: Wie digital ist der Kanton St. Gallen 2030?

Wir befinden uns in einer dynamischen Phase. Es läuft sowohl bei uns im Kanton als auch auf Bundesebene viel, was den digitalen Wandel in der öffentlichen Verwaltung betrifft. Meine Ambition ist es, dass wir bis 2030 die wichtigsten Behördendienste digital anbieten, und in der Nutzerfreundlichkeit eine deutliche Verbesserung erreicht haben.

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