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«Gerade im Klimaschutz ist Transparenz besonders wichtig» Interview mit Andreas Röthlisberger
Die Stiftung «Fair Recycling» engagiert sich aktiv für den Klimaschutz: Sie sorgt für das umweltgerechte Recycling von Kühlschränken. So gelangen die schädlichen Treibhausgase FCKW und FKW aus alten Kühlschränken nicht mehr in die Atmosphäre. Seit der Gründung hat Fair Recycling mit ihrem Projekt so über 1,7 Millionen Tonnen an CO2 und anderen Treibhausgasen effektiv reduziert. Die Post unterstützt das Projekt, indem sie die Zertifikate der Stiftung erwirbt. So kompensiert sie die nicht vermeidbaren CO2-Emissionen im Transport ihrer Sendungen. Im Interview erklärt Stiftungsratspräsident Dr. Andreas Röthlisberger, warum sich Fair Recycling gerade in Brasilien engagiert.
Andreas Röthlisberger, warum engagieren Sie sich für Recycling?
Vor 40 Jahren war ich ein erfolgreicher Scheidungsanwalt, habe Straf- und Zivilprozesse durchgeführt. Diese Tätigkeit in einem Prozess ist aber immer vergangenheitsbezogen. Ich wollte anfangen, die Zukunft zu gestalten. Mein Einsatz für das Schliessen von Stoffkreisläufen begann in der Kies- und Betonbranche und hat sich seitdem wie ein roter Faden durch meine Arbeit in verschiedenen Organisationen gezogen. Im Jahr 1990 habe ich die Stiftung SENS eRecycling gegründet, mit der wir in der Schweiz mit dem Recyclen von Kühlschränken starteten. Dies war eine Reaktion auf das damals drängende Umweltproblem des durch das umweltschädliche Gas FCKW verursachten Ozonlochs. Ich durfte die SENS über 30 Jahre präsidieren. Heute gehört die SENS eRecycling immer noch zu den erfolgreichsten Rücknahmesystemen für Elektro- und Elektronikgeräte weltweit. Im Jahr 2008 gründete die SENS die Stiftung «Fair Recycling» als Spin-off. Wir wollten in Ländern, in welchen die Zerstörung von FCKW nicht gesetzlich vorgeschrieben war, die Entsorgung von Kühlschränken gemäss Schweizer Standards aufbauen und damit eine CO2-Reduktion erzielen. Dabei konnten wir bezüglich FCKW-Zerstörung auf das grosse Know-how der SENS zurückgreifen.
Warum engagiert sich Fair Recycling ausgerechnet in Brasilien?
Der heutige Präsident Lula de Silva hatte während seiner ersten Amtszeit ein Gesetz erlassen, durch das die Energieversorger in Brasilien verpflichtet wurden, 0,5 Prozent ihres Umsatzes in den Austausch von energieineffizienten Kühlschränken gegen moderne, energiesparende Geräte zu investieren – für die arme Bevölkerung in den Favelas gratis. Das bedeutete für uns, dass in Brasilien in den nächsten Jahren grössere Mengen an alten Kühlgeräten zu recyceln waren. Wir packten allen Mut zusammen und erwarben in der Nähe von Sao Paolo 40 000 Quadratmeter Land, auf dem wir eine hochmoderne Kühlschrank-Recyclinganlage errichteten, die 2012 in Betrieb ging. Unser Mann vor Ort, Philipp Bohr, hat mit dem Projekt seine Firma Industria Fox gegründet, die heute als unser Partner das Projekt vor Ort umsetzt. Er lernte sehr schnell, fliessend Portugiesisch zu sprechen, eine zwingende Voraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg in Brasilien. Auch ich verstehe die Sprache, deshalb war Südamerika die naheliegende Wahl für unser Projekt. Es macht alles viel einfacher, wenn man mit den Landsleuten in ihrer Muttersprache kommunizieren kann.
Wie funktioniert das Recyclen von Kühlschränken konkret?
In der Stufe 1 werden die Kühlflüssigkeit und das Öl aus dem Kompressor abgesaugt. In der Stufe 2 gelangen die Kühlgeräte in einen geschlossenen Schredder, in welchem die Materialien getrennt werden, und insbesondere der Isolationsschaum, der etwa zwei Drittel des FCKWs enthält, abgetrennt und speziell ausgepresst. Die Gase aus Stufe 1 und 2 werden in einem eigens dafür errichteten Ofen bei Temperaturen um die 1200 Grad verbrannt. Die dabei anfallenden Stoffe, zum Beispiel Flusssäure, können in verschiedenen Industriezweigen wiederverwendet werden. Die restlichen Materialien des Kühlschranks, wie Metalle und Kunststoffe, werden aufbereitet und als Sekundärrohstoffe weiterverkauft. So können wir über 90% des Kühlschranks recyceln.
Inwiefern ist das Projekt nachhaltiger als andere?
CO2 ist ein globales Problem. Sie können sich die Atmosphäre als ein grosses Becken vorstellen, in das aus verschiedenen Quellen, wie der Verbrennung von Öl, Gas oder dem Brennen von Kalk zur Herstellung von Zement usw. CO2 fliesst. Wo genau CO2 emittiert wird, spielt absolut keine Rolle, da es sich über den Jet-Stream schnell rund um den Erdball verteilt. Was zählt, ist, dass wir den Zufluss von CO2 nachhaltig reduzieren können. Das haben wir in den letzten 12 Jahren mit unserem Kühlschrank-Recycling-Projekt in Brasilien erfolgreich umgesetzt. Da es bei unserem Start keinen Standard für die CO2-Reduktion durch FCKW-Zerstörung gab, haben wir mit dem «Swiss Charter» einen eigenen Standard entwickelt, um sicherzustellen, dass unsere Projekte tatsächlich zu Reduktion von CO2 führt. Unsere neue, verschärfte Version des «Swiss Charter» verbessert die Transparenz und Nachvollziehbarkeit nochmals. Eine gute Reputation ist für uns ein grosses Anliegen und wir sind stolz darauf, dass wir beim Start die Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU), Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) bekamen. Mit dem Projekt in Brasilien werden wir weiterhin 100 bis 150 Tausend Tonnen CO2-Reduktion pro Jahr erzielen.
Wie engagiert sich Fair Recycling sozial?
Mit unserer Initiative hat Industria Fox über 140 lokale Arbeitsplätze geschaffen. Philipp Bohr hat schnell Ausbildungslücken erkannt und begonnen, Mitarbeiter konsequent und systematisch selbst auszubilden. Heute bedienen unsere Mitarbeitenden eigenständig und erfolgreich komplexe Anlagen. Zudem übernimmt Fair Recycling die Ausbildungskosten vor Ort, wie z.B. für die Arbeitssicherheit. Dazu arbeiten wir eng mit einer Organisation der Cooperativas (Genossenschaften) zusammen, um die «Catatores» (Strassensammler) im Recycling zu schulen.
Mit ihrem Label «pro clima» versendet die Post bereits seit 2012 Inlandbriefsendungen, seit 2017 Werbesendungen und seit 2021 alle Sendungen CO2-kompensiert. Alle Sendungen heisst: von Briefen und Paketen über das Stückgut bis zu den Presseerzeugnissen – und zwar im Inland wie im Ausland. Die Post kompensiert nicht vermeidbare CO2-Emissionen im Versand mit Klimaschutzprojekten höchster Qualität im In- und Ausland.
Kundinnen und Kunden der Post können das «pro clima»-Label herunterladen, wenn sie den Nutzungsbedingungen und Spezifikationen zustimmen. Das Label darf auf allen Sendungen angebracht werden. Dabei entstehen für sie keine zusätzlichen Kosten. Sämtliche anfallenden Zuschläge für die CO2-Kompensation übernimmt die Post.