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«Für ein erfolgreiches M&A braucht es keinen Plan B – es braucht ein ganzes Alphabet.» Daniel Gerber und Martin Wegmüller arbeiten bei der Post für die Zukunft: Sie suchen neue, professionelle Lösungen und neue Partnerschaften für das digitale Zeitalter.
Herr Wegmüller, wenn Sie über Ihren Job sprechen, vergleichen Sie Ihre Tätigkeit bei Kommunikations-Services der Post mit einem grossen Schiff…
Martin Wegmüller: Genau, mit einem grossen Schiff auf dem Meer. Meine Aufgabe ist sicherzustellen, dass wir bei Kommunikations-Services dieselbe Richtung einschlagen wie der Konzern (Strategie), dass sich alle an die Regeln halten, damit wir sicher und ordentlich fahren (Governance), und dafür zu sorgen, dass wir keine Eisberge rammen oder in Stürme geraten (Risk). Falls doch mal etwas Unvorhergesehenes kommt, schaue ich, dass wir darauf vorbereitet sind und Probleme schnell wieder in Ordnung bringen können (Compliance). Kurz: Ich helfe dabei, dass unser «Schiff» sicher sein Ziel erreicht, ohne dass wir in Schwierigkeiten geraten.
Wie ist das bei Ihnen, Herr Gerber?
Daniel Gerber: Ich habe genaugenommen zwei Jobs. Als Leiter Unternehmensentwicklung sorge ich dafür, dass wir nicht nur mit einem Schiff unterwegs sind, sondern eine Flotte aufbauen. Wir untersuchen, wie wir gute Ergänzungen (Fähigkeiten und Geschäftsfelder) für die Post finden, und dann beschaffen wir die Segelschiffe, U-Boote und Schnellboote (Unternehmen), dank denen wir als Verbund auf den Weltmeeren relevanter werden und für Kundinnen und Kunden attraktiver. Als Leiter der Business Unit Digital Enabling bin ich zudem Skipper der neu erworbenen Yacht und sorge dafür, dass wir als Geschäft die richtigen Leute und das richtige Material haben, um im Segelwettbewerb (Cybersecurity-Dienstleistungen) erfolgreich zu sein.
Sie beide sind auch zuständig für Zukäufe der Post – Mergers & Aquisitions (M&A). Weshalb tut die Post das?
Martin Wegmüller: Seit 175 Jahren unterstützt und ermöglicht die Post die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz und hat sich in dieser Zeit laufend verändert. Allerdings verändern Digitalisierung und Automatisierung seit einigen Jahren die Bedürfnisse der Bevölkerung und Wirtschaft rasant. Will die Post auch künftig diese Entwicklung aktiv mitgestalten und für ihre Kundinnen und Kunden da sein, dürfen wir nicht stillstehen. Wegen des hohen Tempos dieser Entwicklungen fehlt schlichtweg die Zeit, all dies selbst aufzubauen. Also machen wir einen Mix: Wir bauen einerseits notwendige neue Kompetenzen auf und kaufen sie andererseits zu.
Daniel Gerber: Dateien in einer Cloud teilen, digital unterschreiben, Behörden vertrauliche Daten übermitteln, eine Kundenanfrage per Chat: Das ist für viele das neue Normal. Wir wollen diese Entwicklung massgeblich mitgestalten. Dabei suchen wir neue Partnerschaften ganz gezielt entlang unseres Kerngeschäfts Logistik und Kommunikation. Dies, um fehlen des Know-how zu erwerben, das wir ansonsten über Jahre postintern aufbauen müssten.
Know-how etwa für die vielfältigen digitalen Plattformen der heutigen Arbeitswelt?
Daniel Gerber: Genau, und zwar wollen wir sichere Plattformen zur Verfügung stellen, damit Unternehmen, Behörden sowie Bürgerinnen und Bürger einfacher miteinander kommunizieren können – damit sie sich nicht durch den heutigen Anbieterdschungel kämpfen müssen. Wir wollen Plattformen schaffen, die die Arbeit für die Nutzerinnen und Nutzer erledigen und ihnen die Aufgaben erleichtern. Wir machen uns stark für eine moderne und digital sicher vernetzte Schweiz. Wir alle kommunizieren heute ja auch ganz anders als noch vor wenigen Jahren.
Martin Wegmüller: Ja, völlig anders und zunehmend digital. Heute erhält eine Person jährlich noch rund 200 Briefe. Demgegenüber stehen tausende Messenger-Nachrichten und 10 000 E-Mails – beides mit steigender Tendenz. Das digitale Kommunikationsvolumen ist also wesentlich höher als der blosse Ersatz physischer Briefpost. Der Trend und auch die damit verbundenen Bedürfnisse für digitale Lösungen und Kommunikationsplattformen sind klar: Es soll schnell gehen, intuitiv und vor allem sicher sein. Und hier sollen uns eben M&A unterstützen.
Trotz diesem «neuen Normal» – die Transformation der Post zur digitalisierten Dienstleisterin geschieht nicht von einem Tag auf den anderen.
Daniel Gerber: Es braucht tatsächlich einen langen Atem. Wir wollen weiterwachsen, damit wir die gesamte Schweiz mit digitalen Lösungen bedienen können. Dabei bauen wir unsere Kompetenzen dort aus, wo die Bedürfnisse der Menschen wachsen – und zwar für Privatkundinnen und -kunden genauso wie für Geschäftskunden, Behörden und Gesundheitsorganisationen.
Martin Wegmüller: Deshalb will die Post den heutigen Service public – der stark auf physische Dienstleistungen setzt – zukunftsfähig machen und damit auch weiter digitalisieren. Denn wir wollen auch künftig ein zentraler Pfeiler der Infrastruktur für Unternehmen, KMU sowie Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz sein und zu den besten Postorganisationen der Welt gehören. Damit das möglich ist, braucht die Post auch in Zukunft eigene Mittel, die sie gezielt in diese Weiterentwicklung investieren kann.
Wir wollen weiterwachsen, damit wir die gesamte Schweiz mit digitalen Lösungen bedienen können.
Und eben auch Firmen per M&A zukaufen. Das kann auch mal scheitern. Haben Sie dafür auch einen Plan B?
Daniel Gerber: Nicht nur einen Plan B. Es braucht ein ganzes Alphabet. Es ist wie beim Investieren in Aktien. Lieber nicht alles auf eine Aktie setzen, sondern über Diversifikation ein Portfolio an Aktien bzw. Partnerschafts- und M&A-Vorhaben haben. Wir führen eine «Kontaktliste» mit interessanten Unternehmen – das ist wichtig und wir pflegen sie, denn wer weiss, vielleicht funktioniert es ja beim zweiten Versuch?
Sie vergleichen ein M&A mit einer Beziehung?
Daniel Gerber: Es ist ja auch so: Für ein M&A muss man jemanden kennenlernen, dann kommt das erste Date und, und, und … Vieles muss stimmen: Eine gemeinsame Sprache sprechen, sich attraktiv finden, das erste vertiefte Gespräch, gemeinsame Interessen, die Wohnung sehen usw. Um beim Bild mit der Beziehung zu bleiben: Es dauert eine Weile, bis man seine Partnerin den Eltern (Konzernleitung) vorstellt. Aber auch danach kann noch vieles schiefgehen.
Für Sie sind M&A wichtig für die Zukunft der Post. In der Öffentlichkeit werden Sie dafür kritisiert: Sie würden damit als privilegierter staatsnaher Betrieb Private konkurrenzieren. Ist die Kritik berechtigt?
Daniel Gerber: Wir werden oft von Gesprächspartnern auf diese Kritik angesprochen. Aber nach einem Gespräch verstehen sie die Ausgangslage und sehen den Vorteil, der Anschluss an die grosse, relevante Post hat – und das grosse, gemeinsame Transformationsziel.
Martin Wegmüller: Uns ist bewusst, dass die Weiterentwicklung der Post hin zu einem zukunftsgerichteten Konzern - also auch mit zunehmend digitalen Angeboten für Unternehmen, Behörden und Gesundheitswesen – mitunter auch Diskussionen auslöst. Das ist gut und zeigt: Die Post bewegt nicht nur Briefe und Pakete, sondern auch Gemüter.