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Tiefgreifende Transformation
Was nötig ist, damit die Kundin und der Kunde im Zentrum stehen, und warum sich die Investition lohnt. Ein Gespräch mit Dr. Nicole Hinrichs, Associate Professor für Strategie und transformativen Wandel.
Frau Hinrichs, was verstehen Sie unter Kundenzentrierung?
Kundenzentrierung ist ein Geschäftsansatz, bei dem die Kundinnen und Kunden am Anfang aller strategischen Entscheidungen, Aktivitäten und Prozesse stehen. Das Ziel ist es, positive Kundenerfahrungen zu schaffen, die langfristige Beziehungen fördern und die Loyalität erhöhen.
Hat sich diese Definition mit der Digitalisierung verändert?
Die Definition selbst nicht, aber die Herausforderungen und Möglichkeiten. Die Digitalisierung treibt den Wettbewerbsdruck, die Kundenerwartungen sind höher und ändern schneller. Gleichzeitig haben Unternehmen heute viel bessere Kundendaten, die sie systematischer verarbeiten können. Somit können sie besser personalisieren. Auch das Bewusstsein, dass für Kundenzentrierung eine passende Unternehmenskultur notwendig ist, ist heute deutlich höher.
Viele Unternehmen haben den Eindruck, sie seien schon kundenzentriert. Wo ist der Unterschied zwischen Kundenorientierung und Kundenzentrierung?
Auf den ersten Blick mag der Unterschied subtil sein. Er ist jedoch fundamental. Um kundenorientiert zu sein, muss man Produkte und Dienstleistungen nicht nur oberflächlich anpassen. Für eine wirkliche Kundenzentrierung ist eine tiefgreifende Transformation nötig.
Erklären Sie das genauer.
Bei der Kundenorientierung wird der Kunde in die Überlegungen und Strategien einbezogen. Man sammelt Kundenfeedback und versucht, die Produkte und Dienstleistungen danach anzupassen. Damit ist Kundenorientierung eher reaktiv. Kundenzentrierung geht einen Schritt weiter. Sie beginnt bei den Kundinnen und Kunden. Es stehen nicht nur das Produkt oder die Dienstleistung, sondern der gesamte Service, die Kommunikation und die Interaktion mit der Kundschaft im Fokus. Kundenzentrierung ist damit proaktiv.
Was ist der Vorteil, wenn ein Unternehmen Kundenzentrierung in seine DNA integriert?
Kundenzentrierung ist dann nicht nur eine Strategie, sondern ein grundlegendes Prinzip und damit in jeder Facette verankert. Unternehmen wie zum Beispiel Emirates haben dadurch ein deutliches Alleinstellungsmerkmal. Sie können schneller und zielsicherer Innovationen lancieren, Ressourcen genauer einsetzen und damit Kosten reduzieren. Vor allem können sie in einem Zeitalter, in dem Kundinnen und Kunden von einer Marke zur nächsten springen, eine hohe Loyalität erzielen.
Damit müssen sich Unternehmen, die kundenzentriert denken und handeln, anders organisieren?
Ja, in jeglicher Hinsicht. Es sind andere Werte und Prinzipien notwendig, eine andere Leadership-Kultur und agile Prozesse. Teams sollten crossfunktional aufgestellt, die Hierarchien flach und der Informationsaustausch und das Design der Services absolut kundenfokussiert sein. Das ist schon sehr radikal.
Das klingt nach hohen Investitionen.
Das stimmt. Kundenzentrierung erfordert Investitionen in Technologie, Schulungen und kundenorientierte Prozesse. Langfristig ist es aber eine gewinnbringende Investition. Sie führt zu höherer Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und letztlich zu gesteigertem Umsatz und Rentabilität.
Macht uns also Kundenzentrierung erfolgreicher?
Unbedingt. Oder andersrum gesagt: Ein Unternehmen verliert heute seine Existenzberechtigung, wenn es Kundenbedürfnisse nicht erfüllt.
Zur Person
Dr. Nicole Hinrichs ist Associate Dean Degree Program und Associate Professor für Strategie und transformativen Wandel an der Graduate School EHL. Ihre Forschungsinteressen konzentrieren sich auf den Einfluss von Organisations- und Rollenidentitäten im Zusammenhang mit strategischen Entscheidungen, die Transformationen und Innovationen betreffen.