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«Wir müssen schneller und unkomplizierter werden»
Die Post will ihre Kundinnen und Kunden in der neuen Strategieperiode noch stärker in den Fokus rücken. Thomas Baur, Leiter PostNetz und stellvertretender Konzernleiter, erklärt im Gespräch mit YELLOW, warum Kundenzentrierung entscheidend ist und welche Herausforderungen dabei bestehen.
Kundenzentrierung spielt für die Post eine immer wichtigere Rolle – was bedeutet der Begriff für dich persönlich?
Kundenzentrierung bedeutet für mich, dass eine Dienstleistung oder ein Produkt mein Leben vereinfacht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Wein-App «Vivino». Mit der App kann ich das Etikett eines Weins scannen und erhalte sofort Informationen zu Preis, Bewertungen und Verfügbarkeit. Ich merke: Da hat sich jemand Gedanken gemacht, wie man mir als Kunden das Leben erleichtern kann. Diese Denkweise müssen wir bei der Post noch stärker verankern. Wahre Kundenzentrierung zeigt sich, wenn sich zum Produkt oder zur Dienstleistung eine authentische Kommunikation und eine freundliche Servicehaltung gesellen.
Wir befinden uns hier auf dem Berner Wochenmarkt. Warum hast du diesen Ort für das Interview gewählt?
Der Wochenmarkt ist für mich ein Symbol für das, was Kundenzentrierung bedeutet: Nähe zu den Kundinnen und Kunden, direkte Interaktion und die Möglichkeit zur sofortigen Rückmeldung. Die Markthändler wissen genau, was ihre Kundinnen und Kunden bevorzugen, weil sie täglich im direkten Austausch mit ihnen stehen. Sie kennen ihre Stammkunden und deren Vorlieben. Diese direkte, persönliche Beziehung zur Kundschaft, die Möglichkeit, auf Feedback sofort zu reagieren, und die Offenheit für alle – das sind Elemente, die wir auch bei der Post stärker leben wollen.
Das ist kein einfacher, schneller Prozess, sondern eine kontinuierliche Reise.
Thomas Baur, stellvertretender Konzernleiter und Leiter PostNetz bei der Post
Was wird die Post in der kommenden Strategieperiode anders machen, um die Kunden- zentrierung zu stärken?
Die Post ist schon heute ein sehr kundenorientiertes Unternehmen. Unsere Mitarbeitenden an den Schaltern, in der Zustellung und im Postauto sind stets bemüht, das beste Service-Erlebnis zu bieten. Unsere Firmenkultur ist stark auf Kundenfreundlichkeit ausgerichtet. Was wir verbessern müssen, ist die Art und Weise, wie wir neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Hier müssen die Kundinnen und Kunden von Anfang an im Zentrum stehen. Bei jedem Leitungs- und Projektmeeting sollte die Frage gestellt werden: Erleichtert dieses neue Produkt oder diese Dienstleistung das Leben unserer Kundinnen und Kunden? Können wir diese Frage nicht mit einem klaren «Ja» beantworten, dann sollten wir kein Geld dafür freigeben. Diese kompromisslose Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse ist notwendig, um die Kundenzentrierung konsequent zu verfolgen.
Während Kundenorientierung die Produkte und Dienstleistungen an die Wünsche der Kunden anpasst, stellt die Kundenzentrierung die Kundinnen und Kunden selbst in den Mittelpunkt. Wie wird die Post das erreichen?
Bislang haben wir bei der Post oft zwischen Kundenorientierung und Kundenzentrierung nicht klar unterschieden. Wir haben hauptsächlich auf Kundenorientierung gesetzt und dabei unseren gesetzlichen Auftrag, die postalische Grundversorgung sicherzustellen, effizient erfüllt. Doch bei der Optimierung unserer Produkte, Dienstleistungen und Prozesse haben wir manchmal die Nähe zu unseren Kundinnen und Kunden verloren. Früher hatte jeder Posthalter die Verantwortung für die KMU in seinem Dorf, doch dann wurden die Zuständigkeiten zentralisiert, um Prozesse zu vereinfachen. Diese Zentralisierung geschah jedoch auf Kosten der direkten Kundenbeziehung. Diese Nähe wollen wir nun wiederherstellen – Schritt für Schritt. Es ist ein Balanceakt: Wir wollen unsere optimierten Prozesse beibehalten und uns gleichzeitig wieder stärker den Kundinnen und Kunden annähern. Das ist kein einfacher, schneller Prozess, sondern eine kontinuierliche Reise.
Wie misst die Post den Erfolg ihrer kundenzentrierten Initiativen?
Eine wichtige Herausforderung ist, dass wir bisher unsere Kundinnen und Kunden noch nicht gut genug kennen. Oft basieren unsere Entscheidungen auf Annahmen. Das muss sich ändern. Wir müssen lernen, besser auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Unsere Produkte und Dienstleistungen möchten wir in Zukunft stärker individualisieren, etwa für Grenzgängerinnen und Grenzgänger oder für Menschen, die weniger digital affin sind. Besonders im Fokus stehen die Bedürfnisse der KMU, die das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft bilden. Wir müssen genau verstehen, was für sie wichtig ist, was gut läuft und was wir verbessern können. Nach 40 Jahren bei der Post erlebe ich es immer wieder, dass KMU mir Geschichten erzählen, die mir zeigen, wie kompliziert die Post manchmal wahrgenommen wird. Da müssen wir ansetzen. Der Dialog mit unseren Kunden ist entscheidend, um unsere Angebote zu verbessern. Das ist der Paradigmenwechsel, den wir vollziehen müssen.
Zur Person
Thomas Baur ist stellvertretender Konzernleiter und Leiter PostNetz bei der Post. In dieser Rolle verantwortet er die rund 5000 Zugangspunkte der Post und setzt sich intensiv für die Kundenzentrierung ein. Mit seiner langjährigen Erfahrung im Logistik- und Dienstleistungssektor sowie seinen über 20 Jahren im Topmanagement der Post spielt er eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung und Transformation des Unternehmens.