Roberto Cirillo vor Briefeinwurfkasten
Interview mit Roberto Cirillo «Für KMU ist die Post als Logistikpartnerin ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Dem wollen wir Rechnung tragen – dafür braucht es Wachstum und Investitionen.»
Die Post ist Institution und Unternehmen zugleich. Je nach Blickwinkel ist sie Logistikerin, Personenbeförderin, Finanzdienstleisterin und mehr. Was ist sie aus der Sicht unserer Geschäftskunden?
Insbesondere mit unserem Kerngeschäft, dem Transport von Briefsendungen und Paketen, sind wir vor allem eins: Partnerin der Schweizer Wirtschaft. 93 Prozent der gesamten Briefvolumina und über 93 Prozent der Pakete werden von Unternehmen verschickt. Die Zahlen zeigen deutlich, dass wir für die Firmen ein Distributionskanal sind. Wir sind das Bindeglied zwischen Firmen und ihren Kundinnen und Kunden. Privatpersonen sind mit 74 Prozent der Briefvolumina und 64 Prozent der Pakete die wichtigsten Leistungsempfänger. Aber auch die Rolle als Logistikerin wächst stark: Schon heute bewegen sich etwa 35 Prozent der Pakete zwischen Geschäftspartnern und nicht zu Privatpersonen. Wir sind insbesondere für die rund 600 000 Schweizer KMU ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Durch uns können sie in ihrer Logistik Skaleneffekte erreichen, die sie selbst nicht entwickeln könnten. Wir bieten ihnen effiziente Lösungen für ihre B2B-Beziehungen und helfen ihnen bei der Erschliessung sowohl nationaler als auch internationaler Märkte.
Viele Unternehmen haben wirtschaftlich stark unter der Pandemie gelitten. Einige Unternehmen wurden dadurch sogar in die Insolvenz getrieben. Je nach Geschäftsfeld waren die Herausforderungen sehr unterschiedlich. Ist die Post als Gewinnerin aus der Pandemie gekommen?
Auch wir hatten durch die Pandemie starke finanzielle Einbussen, und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in dieser schwierigen Zeit oft an ihre Belastungsgrenzen gekommen. Aber es wurde auch eins sehr deutlich: Die Post ist die Dienstleistungsinfrastruktur der Schweiz. In einer Zeit, in der vieles stillstand, hat die Post massgeblich dazu beigetragen, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Und sie hat die Menschen in der Schweiz mit dem Notwendigsten versorgt. Wir haben gezeigt, dass die Post schnell reagieren kann, dass sie sich sehr schnell den Bedürfnissen der Unternehmen und der Menschen anpassen kann. Ein Beispiel dafür sind die COVID-19-Tests: Innerhalb kürzester Zeit haben wir gemeinsam mit anderen Partnern eine Logistik für die COVID-19-Tests aufgebaut. Ein Bedürfnis, das vor der Pandemie nicht da war, und ein Bedürfnis, für das wir sehr schnell eine zuverlässige logistische Lösung brauchten und gefunden haben. Wir passen uns neuen Gegebenheiten und neuen Bedürfnissen an – und wenn es darauf ankommt, tun wir das auch sehr schnell. Wenn Unternehmen neue Herausforderungen haben, schauen wir, wie wir sie durch unsere Kompetenzen und mit unserer Infrastruktur unterstützen können.
Zu Beginn der Pandemie war die Post gerade an der Entwicklung ihrer neuen Strategie. Vor gut eineinhalb Jahren startete sie mit der Umsetzung. Hätte die Post nicht auch mit der alten Strategie gut weitermachen können?
Wir erarbeiten ja keine neue Strategie, weil uns langweilig wäre. Wir reagieren auf neue Bedürfnisse und antizipieren zukünftige Herausforderungen. Die Welt – und auch die Schweiz – befindet sich permanent im Wandel. Und eine Schweiz, die sich verändert, braucht eine Post, die dies ebenfalls tut. Im Übrigen war die Fähigkeit, sich zu wandeln, für die Post in ihrer über 170-jährigen Geschichte existenziell. Die Post hat ihre Dienstleistungen immer an die Veränderungen in der Gesellschaft, an neue Technologien und an die sich ändernden Bedürfnisse der Menschen und der Unternehmen in der Schweiz angepasst. Unser Kern, unsere Daseinsberechtigung hat sich dabei nie verändert: Wir verbinden die Schweiz und sind da für die Menschen, die hier leben, und für die Unternehmen, die in der Schweiz und von der Schweiz aus agieren. Um das zu tun, müssen wir auf die Veränderungen reagieren, die vor allem durch die Treiber Automatisierung und Digitalisierung neue Arbeitsweisen, Dienstleistungen und Produkte, Bedürfnisse und auch Gewohnheiten entstehen lassen.
Unsere Welt wird immer digitaler. Die Menschen wollen digitale Lösungen – weil sie einfacher, schneller, sicherer oder auch einfach ökologischer sind. Die Post investiert und kauft Unternehmen. Geht es darum, neue Geschäftsfelder zu eröffnen und sich dafür in fremde Märkte einzukaufen?
Überhaupt nicht! Ich kann mögliche Kritik, die Post investiere in digitale Dienstleistungen, die nichts mit dem Kernauftrag der Post zu tun haben, nur bedingt verstehen und muss da auch klar widersprechen. Das Gegenteil ist der Fall: Der sichere, zuverlässige und vertrauliche Transport von schützenswerten Informationen ist seit jeher die Raison d’Être der Post – insbesondere das Briefgeheimnis. Jetzt leben wir in einer Welt, die immer digitaler wird. Die Technologien verändern sich rasend schnell, und damit verändern sich auch die Lebenswelten und die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden. Mehr denn je haben die Menschen das Bedürfnis, ihre Informationen und Daten sicher und vertraulich zu wissen. Und genau da setzen wir mit unseren digitalen Lösungen und Angeboten an. Die digitalen Kompetenzen und Infrastrukturen können wir nicht ausschliesslich aus uns heraus entwickeln. Hier braucht es gezielte Zukäufe. Es braucht Wachstum. Wir fokussieren uns also weiter auf unser Kerngeschäft und werden auch weiterhin vor allem Partnerin der Wirtschaft sein, um den Bewohnerinnen und Bewohnern der Schweiz einen bestmöglichen Service public zu bieten.